Immer mehr Unternehmen aus den Branchen Holzwerkstoff-, Zellstoff-/Papier-, Möbel- und Lebensmittelindustrie stellen sich den Anforderungen, die eine nachhaltige Zertifizierung mit sich bringen. Die bekanntesten Zertifizierungssysteme sind in der Holzwerkstoff- und Möbelindustrie FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) sowie Rainforest Alliance in der Lebensmittelindustrie. Diese Zertifizierungen prägen nicht nur den Nachhaltigkeitsgedanken eines Unternehmens, sondern unterstützen ebenfalls die Einhaltung rechtlicher Vorschriften, wie z. B. das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG). Insgesamt gibt es an die 50 international anerkannte Zertifizierungssysteme, die sich den ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeitsgedanken vom Rohstoff bis zum Endkunden widmen.
Die Zertifizierungen sind zweigeteilt und stellen nicht nur besondere Anforderungen an den Anbau oder die Rodung, sondern ebenfalls im zweiten Schritt, an erhöhte Anforderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an Unternehmen der nachgelagerten Prozesse:
- Zertifizierung des Anbaus/der Rodung hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte,
- Chain-of-Custody-Zertifizierung (CoC) der nachgelagerten Lieferanten/Produzenten/Händler bis zum Kunden.


Der CoC-Standard umfasst folgende Prinzipien:
- CoC-Management-System
- Rückverfolgbarkeit
- Verwendung der eingetragenen Warenzeichen der Zertifizierungen
- Betriebsstättenverbund (Multi-site Operators)
I. Organisatorische Maßnahmen entlang der gesamten Supply Chain
Um den Anforderungen der CoC-Standards gerecht zu werden, sind Anpassungen aller an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmensprozesse vorzunehmen. Hierfür wird seitens des Unternehmens ein CoC-Management-System eingeführt, welches die gesamte Supply Chain dokumentiert. Darunter fällt unter anderem das Spezifizieren von verantwortlichen Personen und die Erstellung sowie Bereitstellung mit der Zertifizierung verbundener Berichte, Dokumente und Formulare.

Maßnahmen im Einkauf – Lieferantenbewertung
Um eine Aussage über die eigenen Produkte zu treffen, ob und zu welchem Prozentsatz diese zertifiziert werden können, müssen zuvor die Lieferanten bewertet werden.
Dies erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird überprüft, ob ein Lieferant überhaupt zertifiziert ist und wenn ja, ob der Lieferant noch über ein gültiges Zertifikat verfügt. Die Zertifikatsgültigkeit kann anhand von Datenbanken der Zertifizierungssysteme ermittelt werden. Im zweiten Schritt ist zu überprüfen, welche Produkte des Lieferanten ein Zertifikat besitzen und zu welchem Prozentsatz die Produkte zertifiziert sind. Der Prozentsatz hat Einfluss auf die Prozentsatzaussage der eigenen Produkte.
Je nach Zertifizierungssystem ist die Einführung eines Due Diligence Systems (DDS/Sorgfaltspflichten-System) verpflichtend zur Überprüfung von nicht zertifizierter Lieferanten auf Länder- und Unternehmensebene.
Maßnahmen in der Entwicklung/im Produktentstehungsprozess – Überprüfung der Produkte nach Zertifizierbarkeit
In den meisten CoC-Standards ist eine Untergrenze des zertifizierten Anteils festgelegt, um ein Produkt als zertifiziert deklarieren zu dürfen. Diese Untergrenze schwankt je nach Zertifizierungssystem zwischen 30 Prozent (z. B. Rainforest Alliance) bis hin zu 70 Prozent (z. B. PEFC/FSC). Aus diesem Grund sind, basierend auf dem zertifizierten Anteil der Einkaufsmaterialien, im Vorfeld die Rezepturen/Stücklisten mengenmäßig unter Berücksichtigung der Verluste innerhalb der Produktion zu überprüfen. Diese Überprüfung gibt Auskunft, ob bzw. wie ein Produkt zertifiziert werden darf.
Auf Basis dieser Analyse kann eine strategische Entscheidung getroffen werden, ob eine neue Produktlinie aufgebaut wird oder alle Produkte zertifiziert werden können.

Maßnahmen in der Logistik – Sicherstellung der physischen Trennung
Es muss sichergestellt werden, dass während der Lagerung und des internen Transportes eine physische Trennung von zertifizierten und nicht zertifizierten Produkten vorherrscht. Schon beim Wareneingang sind zertifizierte Materialien eindeutig als solche zu kennzeichnen und sollten bis zur Auslieferung identifizierbar bleiben. Während der weiteren Verarbeitung, Lagerung und Intralogistik ist Sorge zu tragen, dass zertifizierte und nicht zertifizierte Produkte voneinander getrennt sind. Dies kann zeitlich, räumlich oder physisch erfolgen. Eine Trennung muss eindeutig erkennbar sein.
Maßnahmen in der Produktion – Überprüfung der Produktion auf kritische Pfade
Innerhalb der Produktion ist es zwingend erforderlich, die Prozesse auf kritische Pfade hinsichtlich der Vermischungsgefahr von zertifizierten und nicht zertifizierten Produkten zu analysieren und gegenwirkende Maßnahmen zu beschreiben. Ebenfalls sind in der Produktion die mengenmäßigen/prozentualen Verluste auf Arbeitsplatzebene zu ermitteln, um die Entwicklung/Konstruktion bei der mengenmäßigen Überprüfung der Rezepturen und Stücklisten zu unterstützen.
Maßnahmen im Qualitätsmanagement – Ernennung eines Zertifizierungsbeauftragten
Das Qualitätsmanagement (QM) dient als Kontrollmechanismus. Im QM wird ein Zertifizierungsbeauftragter ernannt, der hauptverantwortlich Maßnahmen zur Einhaltung der Zertifizierungsstandards (Auditplan) definiert, das Zertifizierungshandbuch erstellt, jährliche interne Audits durchführt sowie die Zertifizierungs- und Überwachungsaudits auf Unternehmensseite verantwortet.
Maßnahmen im Controlling – kontinuierliche Überwachung der Mengenbilanz
Mindestens einmal jährlich, spätestens aber zum Überwachungsaudit, muss gemäß CoC-Standards ein Nachweis erbracht werden, dass nicht mehr zertifiziertes Material verkauft als eingekauft wurde. Dies erfolgt anhand einer sogenannten Mengenbilanz. Optimal ist hier eine tägliche Überwachung, bei der alle Wareneingänge getrennt nach zertifizierten und nicht zertifizierten Materialien oder Produktgruppen ausgewiesen sind. Die Eingänge werden den veräußerten Produkten gegenübergestellt. Werden Nebenerzeugnisse die im Produktionsprozess anfallen ebenfalls veräußert, sind diese mit auszuweisen.
II. Unterstützung durch SAP-Systeme
Die CoC-Standards stellen nicht nur eine erhöhte Anforderung an die physischen Unternehmensprozesse, sondern auch an die Abbildung der Prozesse in den IT-Systemen dar. SAP bietet eine Vielzahl von Mitteln, die CoC-Standards und die damit verbundenen Prozesse im SAP-System abzubilden.
Über alle Geschäftsprozesse – Einführung Chargenverwaltung
Die CoC-Standards schreiben eine eindeutige Rückverfolgbarkeit vom Wareneingang bis zum Endprodukt bzw. Auslieferung an den Kunden vor. Durch Einbindung der Chargenverwaltung kann dem nachgekommen werden. Die Chargenverwaltung hat folgenden Funktionsumfang: Chargenvergabe, Chargenspezifikation, Chargenzustandsverwaltung, Chargenfindung, Chargenverwendungsnachweis und die Archivierung von Chargenprotokollen (PP-PI).
Einkauf – Erweiterung Kreditorenstamm
Um die zusätzlichen Informationen zu einem Lieferanten-Kreditor abbilden zu können, ist es möglich den Kreditorenstamm im Z-Umfeld zu erweitern. Hier können auf einer weiteren Sicht die Informationen wie Zertifikat-Kurztext, Zertifizierungsstelle oder Gültigkeitsdatum eingetragen werden. Auf diese Felder lässt sich ein Report aufsetzen, der die Zertifikatsgültigkeit überprüft und automatisch Lieferanten mit ablaufenden Zertifikaten in einer definierten Vorlaufzeit an Verantwortliche meldet.
Logistik – Einführung SAP WM
Durch die Einführung von SAP WM (Warehouse Management) lässt sich der Anforderung der physischen Trennung nachkommen. Es werden Lagertypen und Lagerbereiche bis auf Lagerplatzebene definiert, die für zertifizierte bzw. nicht zertifizierte Komponenten vorgesehen sind. Des Weiteren wirken Produktionsversorgungsbereiche (PVB) der Mischung von zertifizierten und nicht zertifizierten Komponenten entgegen.
Weiterhin befördert SAP WM eine systemgestützte Lagerverwaltung und Warenbewegungen. Dabei wird die physische Trennung innerhalb der logistischen Prozesse und der Produktion gewährleistet.
Produktion – Komponentenzuordnung und Definition von Produktionsversorgungsbereichen (PVB)
Ebenfalls sind Anpassungen an Arbeitsplänen und Arbeitsplätzen vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der Definition von PVB ist eine Komponentenzuordnung auf Vorgangsebene vorzunehmen. Dadurch stehen zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz die benötigten Komponenten bereit, wodurch eine Vermischung zertifizierter und nicht zertifizierter Materialien vermieden wird. Des Weiteren sind am Vorgang/Arbeitsplatz die Produktionsverluste zu pflegen. Dies vereinfacht die Entwicklung für die „Mengenbilanz“.
Vertrieb/Versand – Anpassung Vertriebstexte und Bereitstellung von Zertifikaten
Eine weitere Anforderung der CoC-Standards ist die Ausweisung des zertifizierten Anteils eines Produktes auf allen Dokumenten auf Positionsebene. Dies kann durch entsprechende Anpassung der Vertriebstexte im Materialstamm erfolgen. Nebenbei müssen eigene Zertifikate oder Zeugnisse dem Kunden bereitgestellt werden. Dies erreicht man durch die Einbindung von Qualitätszeugnissen. Durch die Einbindung dieser Dokumente können Zertifikate automatisch beim Versand eines Materials erstellt und an eine vorgegebene Liste per Fax oder per EDI in verschiedenen Sprachen an die Empfänger verteilt werden.
III. Mehrwerte
Die im Vorfeld beschriebenen Maßnahmen unterstützen gesamtheitlich bei der Umsetzung und Einhaltung der CoC-Standards – vorrangig bei der Rückverfolgbarkeit des Werteflusses ab Anlieferung, entlang der gesamten Supply Chain, bis hin zum Kunden. Dies ermöglicht vor allem der Einsatz der Chargenrückverfolgung.
Der Anteil der digitalen Dokumentation erhöht sich, da alle Belege im SAP-System abgelegt sind.
Ein weiterer Aspekt ist die kontinuierliche Kontrolle der zertifizierten Materialien, deren Materialfluss und der beteiligten Prozesse. Hierbei unterstützt der Einsatz des WM-Moduls wiederum die Chargenrückverfolgung, wodurch jederzeit Materialien innerhalb des Wertstromes auffindbar sind. Ebenso vereinfacht die Abbildung der Zertifizierungssystematik in SAP die Datenaufbereitung für die Zertifizierungsaudits. Die Pflege und Nachhaltung aller Zertifizierungsinformationen in einem integrierten SAP-System bildet die Basis für einen langfristigen Unternehmensnutzen der Prozesszertifizierungen.
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